Weitere Initiativen der Hamburg Kreativ Gesellschaft
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Mit Design spielerisch die Welt retten

Kann Design Wege aufzeigen, wie Wirtschaft, Gesellschaft und Politik die Erfahrungen aus der Corona-Krise sinnvoll nutzen können? Der Silberstreifen Award kürte 2020 zehn Hamburger Preisträger*innen, die mit ihren Prototypen Antworten formuliert haben. Mit ihrem Klimaquartett, einem Kartenspiel, das Jung und Alt über die Folgen des Klimawandels informiert, gehört Carmen Gloger zu den Preisträger*innen des Awards. Mit ihr sprachen wir darüber, was hinter dem Gestalten und dem Beruf der Designerin steckt.

Isabel Neuendorf: Wie verstehst du deine Arbeit als Designerin?

Carmen Gloger: Es ist eine Beschäftigung mit Dingen und Sehnsüchten, die in der Zukunft relevant sind. Sehnsüchte zu erkennen und dann Fäden zu verknüpfen, ist das Reizvolle.

Für viele klingt Design abstrakt. Wie würdest du den Begriff erklären?

Viele Designer mögen den Design-Begriff nicht und bezeichnen sich als Gestalter. Das trifft es vielleicht auch besser. Wir alle streben danach unsere Welt, unser Leben und die Vorstellung davon zu gestalten. Im Kleinen gestalten wir alle und sind auf vielfältige Weise kreativ. Man muss nur auf Pinterest und Instagram gehen, um sich ein Bild davon zu machen. Aber natürlich gibt es einen Unterschied zum Design-Beruf: Wenn ich Design mache, hab ich eine Vision und Vorstellung vom Ergebnis und muss mir überlegen, was es braucht, um diese Vision zu entwickeln. Gestalten bindet viele Prozesse, Menschen, Techniken und Materialien mit ein. Es geht immer um das Finden, Verbindungen schaffen und Lösungen formulieren. Ich liebe es, Dinge zu vernetzen oder in etwas einzutauchen, was ich noch nicht beherrsche.

Die Quartettverpackung hält dank Falttechnik und alle Materialien sind recycelbar.
Die Quartettverpackung hält dank Falttechnik und alle Materialien sind recycelbar.

Mit dem Klimaquartett bist du Teil des Silberstreifen Awards. Im Spiel treffen Klimaaktivismus auf Gesellschaftsspiel. Wie kam es dazu diese Aspekte zu verbinden?

Im September 2019 haben mein 23-jähriger Sohn und Aktivisten*innen der Fridays-for-Future-Bewegung gefragt, ob wir, als Designer und Künstler, ihre Demonstration mit Plakaten unterstützen können. Wir waren sofort Feuer und Flamme. Eines unserer Plakate war: “Es gibt keinen Joker beim Klima-Poker". 

Mich hat die Idee nicht mehr losgelassen, dass der Klimawandel kein Spiel ist, aber ein spielerischer Umgang mit dem Thema wichtig ist.

Was hat Spielen für einen Stellenwert?

Ich glaube, dass alles, womit wir uns umgeben, uns gestaltet. Dazu gehören auch die Spiele, die wir in der Freizeit spielen. Bereitschaft zur Kooperation, die Fähigkeit zur Empathie, emotionale Achterbahnfahrten und ein hohes Maß an Wissensvermittlung steckt in jedem guten Spiel. Das Schöne an unserem Spiel ist, dass es niemanden gibt, der sich nicht damit identifizieren kann: Etwa durch Themen wie Ernährung, Wohnen oder Hobbys, die im Quartett vorkommen. Ich wollte auf keinen Fall etwas entwickeln, dass moralisiert. 

Du hast gesagt, dass die Idee zum Quartett durch die Fridays-for-Future-Bewegung kam. Wie ging es weiter?

Der Ursprungsgedanke war klar: Ich wollte ein klassisches Quartett machen, das unseren Alltag beleuchtet und die unmittelbar damit zusammenhängenden Folgen für das Klima sichtbar macht. Ich habe angefangen Informationen zu suchen und Fragen zu stellen: Welche Themen, Zahlen und Werte sind relevant und was ist das Ziel des Spieles? Welche Spielregeln gibt es? Wie stelle ich mir das Design, die Farben und den Illustrationsstil vor, welche Bildesprache möchte ich in die Welt bringen?

Als das Konzept inhaltlich stand, war klar, dass ein größeres Team nötig ist, um das Erdachte zu realisieren. Ich bin sehr dankbar für die außergewöhnliche, engagierte Zusammenarbeit und den kreativen Prozess aller Beteiligten. Mein besonderer Dank gilt Ann Christin Müller für Illustration und Grafikdesign, Lukasz Chrobok für Illustration und Realisation und Till Wahnbeack für die Zahlenrecherche. Jede*r brachte Begeisterung für das Thema, sein Können aber auch neue Blickwinkel mit ein.

Habt ihr Nachhaltigkeit auch in der Umsetzung des Spieles mitgedacht?

Von Anfang an war klar, dass das Spiel nachhaltig produziert werden soll. Die Verpackung, die ich entworfen habe, kommt ohne Kleber aus und hält dank Falttechnik. Alle Materialien sind recycelt und das Spiel soll CO2-Netral und umweltfreundlich produziert werden. Ich habe mich gefragt: “Was ist noch nachhaltig? Was wäre, wenn man mit den Karten viele Spiele spielen könnte, so das es für alle Generationen aktrativ bleibt und somit Langlebigkeit erfährt?” Mit dem Klimaquartett kann man derzeit sieben verschieden Spielvarianten spielen. Es gibt eigene Versionen von Schummelpoker, Rommé, einem Rollenspiel usw...

Wie hat euch der Award bei dem Gestaltungsprozess begleitet?

An dem Zeitpunkt der Bewerbungsphase waren wir so weit, dass die Kartenmotive fertig waren und wir Testspiele machen wollten. Aber durch den Lockdown gab es nicht die finanziellen Mittel, in den Probedruck zu gehen. Der Award hat uns geholfen, den Probedruck zu realisieren und weiter in unserer Arbeit voranzukommen. Ohne ihn wären wir jetzt nicht da, wo wir sind.

Wie ist der aktuelle Stand?

Wir sind jetzt in den Startlöchern. Das Quartett möchte in die Welt und wir brauchen dringend eine Finanzierung, um das zu realisieren. In Zukunft soll ein Teil des Kaufpreises in Umweltschutzkampagnen fließen. Hierfür wollen wir eine Internetseite gestalten, wo der Käufer aussuchen kann, ob er beispielsweise die Meere oder den Wald unterstützen möchte. Das Quartett kann man auch einfach nur spielen - es funktioniert autark. Wenn man aber mehr über lokale Aktionen erfahren oder sich aktiv einbringen möchte, werden wir Informationen auf der Homepage zu Verfügung stellen.

Der Silberstreifen Award zeigt, dass Design auf aktuelle Herausforderungen wie Corona-Krise oder Klimawandel reagieren kann. Was sind Themen, die gerade innerhalb des Designs auftreten?

Als eine große Herausforderung sehe ich die Kraft von Bildern und ihre Bildsprache. Das hat mich bei der Konzeption sehr beschäftigt. Was ist Vielfalt, was ist Diversität und wie ist sie darstellbar? Bei der Recherche im Netz stößt man schnell auf visuelle Stereotypen. Suche ich beispielsweise nach den Stichworten Hobby, Kind und Pferd, finde ich blonde Mädchen, die ihr Pferd kuscheln. Wir sind umgeben von einer Bildsprache, deren Einfluss gewaltig ist. Diese erfinden wir als Designer auch mit. Das heißt, wir müssen genau hingucken, womit wir uns beschäftigen und welche Signale wir senden. Solange etwa dicke, protzige Autos als Statussymol gefeiert werden, statt kleine, wendige Lastenfahräder, wird der Klimawandel unaufhaltsam voranschreiten.

Was sind deiner Meinung nach Herausforderungen für Designer*innen in ihrer Arbeit? Du hast die Corona-Zeit angesprochen.

Corona hat gezeigt: "Auch wir - die Gestalter- und unsere Berufsfelder werden als nicht (system)relevant eingestuft“. Das ist Schwachsinn. Die Arbeitswelt ändert sich derzeit rasant und stellt uns vor große Herausforderungen. Homeoffice, Arbeiten in Teilzeit, Freizeit Gestaltung, etc. Wenn Kontakt zu anderen Menschen und Interaktion fehlen, hinterfragst du dich und deine Lebensweise mehr. Ich glaube, das ist ein großes gesellschaftliches Thema, was an Bedeutung gewinnt: Ist das, was wir tun, relevant? In welcher Gesellschaft möchten wir leben? Das ist unglaublich spannend und dabei können Designer mit ihren Methoden und Visionen Hilfestellung und Lösungen bieten.

Herzlichen Dank für das spannende Gespräch, Carmen!

Fotos: Selim Sudheimer

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