Mit leuchtenden Farbkombinationen und klarer Formsprache gestaltet Luzia Hein eindrückliche Plakate, Objekte und visuelle Identitäten für Brands. Das Design Zentrum Hamburg besucht die freiberufliche Grafikdesignerin in ihrem Studio in der Sternschanze und spricht mit ihr über Briefmarken, unerwartete Inspirationsquellen und den gesellschaftlichen Impact von Design. Meet the Designers – meet Luzia Hein!
Auf jedem Briefumschlag, jeder Postkarte, ist die obere rechte Ecke für eine ganz bestimmte Information reserviert. Einige notieren hier heute lediglich pragmatische Codes aus Zahlen und Buchstaben. Andere erkennen ein altehrwürdiges Plätzchen für kleine Kunstwerke. Plakate auf 30 mal 55 Millimeter, die nicht nur für die Zustellung der verpackten Botschaften essenziell sind, sondern selbst eigene transportieren können.
Designerin Luzia Hein hat das herausfordernd kleine Format von Briefmarken als gestalterische Leidenschaft für sich entdeckt. In einer für sie charakteristischen Farben- und Formsprache entwirft sie kleine Werke, die nicht weniger als die gesamte Bevölkerung zur Zielgruppe haben. Rund 50 Sonderpostwertzeichen gibt das Bundesministerium der Finanzen jedes Jahr zu verschiedensten Themen heraus, die die deutsche Geschichte und Kultur widerspiegeln sollen. Eine erlesene Gruppe an Gestalter*innen darf in Wettbewerben ihre Entwürfe einreichen. Seit 2020 gehört Luzia Hein dazu. Briefmarken sind jedoch nur eines von zahlreichen Herzensprojekten der freien Grafikdesignerin. Das Spektrum reicht von Packaging Design über Plakat- und Buchgestaltung bis zum Corporate Design.
In ihrem farbenfrohen Studio hat Luzia Hein das Design Zentrum Hamburg zum Interview empfangen.
Luzia, in deinem Büro entdeckt man überall Farben. Sind es die Farbkombinationen, die deinen Stil als Designerin ausmachen?
Mein Stil zeigt sich zumeist in einer relativ grafischen, reduzierten und geometrischen Formensprache, aber eben auch in der Freude an leuchtenden Farbkombinationen. Das Zusammenspiel aus beiden ist das, was meinen Ansatz ausmacht.
Warum sind Farben für dich so wichtig?
Nur noch schwarz weiß arbeiten zu können, wäre ganz schön krass für mich. Dann könnte ich nur noch die Hälfte ausdrücken von dem, was ich zeigen will mit meinen Arbeiten. Es ist ja einfach so, dass Farben Emotionen, Assoziationen oder Erinnerungen in Leuten auslösen. Wenn die Farbe fehlt, könnte man nur einen Bruchteil dieser Konnotationen kommunizieren.
War das schon immer so?
Während meines Studiums habe ich zu Beginn sehr gerne schwarz weiß gearbeitet, danach kam eine Phase, in der ich leidenschaftlich Ultramarinblau verwendet habe. Die Freude an anderen, leuchtenden Farbkombinationen kam erst mit der Zeit.
Was sind für dich als Freiberuflerin Projekte, die dir besonders viel bedeuten?
Ein Herzensprojekt ist das Freiluftkino in Frankfurt. Noch während des Studiums war ich 2014 für das Corporate Design verantwortlich und gestalte seitdem jedes Jahr das Key Visual, Plakate, Einladungskarten, Postkarten und was sonst noch anfällt. Es ist wie eine kleine Chronik meines Stils über die letzten zehn Jahre – und gleichzeitig eine kleine Chronik der besten Filme.
Neben Logos, Plakaten und Büchern gestaltest du seit einigen Jahren auch Briefmarken. Wie ist es dazu gekommen?
Die Hälfte deutscher Briefmarken werden inhouse bei der Deutschen Post gestaltet. Die andere Hälfte wird in Wettbewerben ausgeschrieben. Wird man in den ausgewählten Pool potenzieller Designer*innen aufgenommen, darf man zu jedem Wettbewerb drei Entwürfe einreichen. Der Entwurf der oder des Erstplatzierten wird dann veröffentlicht.
Briefmarken standen einfach schon immer auf meiner Wunschliste an Projekten. Inzwischen wurden vier meiner Entwürfe veröffentlicht und eine fünfte folgt am 10. Oktober dieses Jahr.
Für die Motive gibt es vermutlich sehr konkrete Vorgaben.
Im Briefing jedes Wettbewerbs ist das Thema festgelegt. Ob man teilnehmen möchte, kann man jedes Mal frei entscheiden. Warum ich Briefmarken aber so gerne mache, abgesehen von dem Medium an sich, ist dass man gestalterisch gar keine Vorgaben hat. Ich kann die Schrift benutzen, die ich will, ich kann mit Fotografie oder Illustration oder komplett grafisch arbeiten. Darum macht mir die Gestaltung von Briefmarken so Spaß, weil einem da niemand rein redet.
Welche Projekte stehen sonst noch auf deiner Wunschliste?
Vielleicht ist das etwas utopisch, aber ich würde total gerne einen S- oder U-Bahnhof gestalten. Das wäre eine Möglichkeit, mal wieder richtig räumlich zu arbeiten. Am S-Bahnhof Wannsee hat der Grafiker Christoph Niemann mit Fliesen einen kompletten Tunnel gestaltet. Eine super Arbeit. Das ist etwas, das ich selbst auch gerne machen möchte.
Gibt es bestimmte Menschen, die dich in deinem Werdegang beeinflusst haben?
Jemand, der mich in meiner Laufbahn sehr geprägt hat, war der Leiter der Siebdruck-Werkstatt in Hamburg. Dort habe ich total viel Zeit verbracht. Er hat mich in allen möglichen experimentellen Vorhaben unterstützt; mir Dinge erlaubt, die sonst nicht so viele Leute gemacht haben. Es hat immer Spaß gemacht, dort zu sein, gerade auch als Ausgleich zu der ganzen Arbeit am Computer.
Welchen Rat möchtest du angehenden Designer*innen mit auf den Weg geben?
Sich im Studium die Zeit zu nehmen, um herauszufinden, woran man Spaß hat. Nur das ist der Weg, in der Disziplin richtig gut zu werden – weil man merkt, dass man richtig Lust darauf hat.
"Man sollte den Leuten auf jeden Fall nicht noch mehr Quatsch verkaufen, den sie nicht brauchen."
Machst du dir Gedanken über den gesellschaftlichen Impact von Grafikdesign?
Man hat natürlich eine Verantwortung als Grafikdesignerin. Man sollte den Leuten auf jeden Fall nicht noch mehr Quatsch verkaufen, den sie nicht brauchen. Und ich finde, das kann man auch steuern mit den Jobs, die man annimmt. Und sich fragt: Kann ich dieses Projekt verantworten? Man will ja etwas machen hinter dem man steht, und nicht etwas, das man niemandem zeigen will, weil man es selbst schrecklich findet.
Wann weißt du, dass ein Projekt fertig ist?
Fertig bin ich, wenn ich die Botschaft auf den Punkt gebracht habe. Und gleichzeitig eine visuelle Lösung in meiner Sprache gefunden habe.
Woher nimmst du deine Inspiration?
Inspiration muss nicht immer nur zeitgenössisch und hip sein. Es gibt Klassiker wie Anton Stankowski, durch dessen Katalog ich gerne blättere, oder Bücher über Schweizer Grafikdesign aus den 60ern. Auch der Austausch mit anderen Designer*innen hier in der Stadt inspiriert mich sehr. Aber natürlich bin ich auch auf Instagram unterwegs, weil es einfach ein guter Ort ist, um interessanten Studios, Type Foundries oder Illustrator*innen zu folgen.
Und für deine Farbauswahl?
Farben schaffen einfach überall eine Atmosphäre. Es sind häufig auch Objekte im Alltag, die mich inspirieren, also nicht nur Designobjekte, sondern auch, wenn man eine gelbe Zitrone in der Hand hat und ein fliederfarbenen Nagellack drauf. Das sind Momente, in denen ich denke: „Ja, das kann man so anwenden.“
Was würdest du als Designerin Freund*innen aus anderen Städten in Hamburg zeigen?
Ein klassischer Design-Ort ist das Museum für Kunst und Gewerbe. Die haben eine tolle Sammlung. Als besonders gut gestalteter Ort fällt mir außerdem das Café Entenwerder auf einem Ponton auf der Elbe ein. Dort ist ziemlich einmalig, dass mittendrauf ein großer goldener Pavillon steht, der auch schonmal bei den Skulptur Projekten Münster ausgestellt wurde. Und dann vielleicht noch etwas eher Unerwartetes… die Mensa in der HfbK. Also sowohl den Ort als auch das Essen fand ich immer wesentlich besser als bei meiner eigenen Uni.