Leuchtenhersteller GRAU steht für besondere Lichterfahrungen in allen Umgebungen. Das Design Zentrum Hamburg besucht den faszinierenden Campus des Unternehmens vor den Toren der Stadt – und spricht mit den Designern, Künstlern und CEOs Timon und Melchior Grau. Meet the Designers!
Geheimnisvolles Licht erhellt die hohen Räume des Hamburger Kunsthauses. Eingeklemmt zwischen Bahntrasse und dem lauten, mehrspurigen Klosterwall, eröffnet sich hier eine vollkommen gegensätzliche Welt: ein verdunkelter Raum, erfüllt mit sphärischer Musik und einem anziehenden Leuchten in Rot, Orange und Blau. Kleine Grüppchen versammeln sich um das leuchtende Objekt in der Mitte des Raumes, andächtig still oder angeregt flüsternd. Was sich anfühlt wie ein großes Lagerfeuer, ist in Wahrheit eine Lichtskulptur aus Metall und Glas. Wie überdimensionierte Streichhölzer türmen sich die Elemente zur Skulptur Bonfire, entworfen von Timon und Melchior Grau. Und auch wenn das Knistern und die Hitze eines echten Feuers fehlen: Das Kunstwerk vermittelt auf sinnliche und eindrückliche Art die Kraft, die Licht auf uns Menschen ausübt.
Diese besondere Erfahrung von Licht, mal aktivierend, mal entspannend, möchten die Grau Brüder aus der Singularität des Kunstraums in den Alltag überführen. Durch ganzheitlich gestaltete Leuchten mit klingenden Namen wie Salt, Sun oder Parrot – für Arbeitsorte und die eigenen vier Wände. 2021 haben die Brüder das von ihren Eltern gegründete Unternehmen Tobias Grau übernommen. Seit dem Relaunch führen sie das Erbe des renommierten Leuchtenherstellers unter dem Namen GRAU fort – und setzen gleichzeitig neue Akzente. Generationenwechsel geglückt.
Das Design Zentrum Hamburg hat das Duo in ihrem Studio zum Interview getroffen.
Timon und Melchior, erklärt uns GRAU in wenigen Sätzen.
Timon: GRAU ist ein Licht-Unternehmen aus Hamburg mit einem Team von rund 150 Personen. Was uns antreibt ist das Ziel, eine neue – fast schon magische – Erfahrung von Licht zu entwickeln und den Menschen mit unseren Leuchten in die Hand zu geben.
Melchior: Wir entwickeln Leuchten für Arbeitsplätze und für das Zuhause – mit jeweils eigenen Anforderungen. In den letzten Jahren sind diese Welten für uns aber immer stärker zusammengewachsen. Auch ein Arbeitsplatz verdient heutzutage ein hohes Maß an Sinnlichkeit, damit sich die Menschen dort wohlfühlen und entfalten können.
Im Jahr 2021 habt ihr das Ruder im elterlichen Unternehmen übernommen. Wie sah euer Leben vor der Rolle als CEOs aus?
T: Wir sind in Hamburg als Brüder in einem kreativen Umfeld aufgewachsen. Nach dem Abitur sind wir zusammen nach Berlin gezogen und haben Volkswirtschaft studiert. In der gleichen Zeit haben wir angefangen zu zweit, also auf einer Leinwand, zu malen.
M: Das war für uns ein ziemlich extremer Kontrast zwischen angewandter Mathematik und der Expressivität abstrakter Malerei. Später haben wir gemeinsam Kunst studiert. Über den Weg der politischen Kunst haben wir unser Interesse für Kunst in angewandten Räumen, also außerhalb der Institutionen, entwickelt. Das war auch der Startschuss, tiefer in den Bereich Design einzusteigen. Denn auch Produktdesign verfolgt wie politische Kunst das Ziel – wenn es mit der entsprechenden Haltung ausgeübt wird – die Gesellschaft positiv zu verändern.
T: Heute machen wir bei GRAU keine Trennung mehr zwischen den Welten. Hier fließen die freie Kreativität und das strukturierte Arbeiten in einem kollaborativen Prozess zusammen.
Habt ihr schon vor eurer Zeit bei GRAU gedacht: „Irgendwann entwerfen wir selbst eine Leuchte“?
M: Aus der Kunst kommend wussten wir, dass Malerei die Kraft hat, wirklich deine Gefühlswelt zu berühren. Und zu entdecken, dass diese Kraft auch in dem Medium Licht steckt, war für uns eine wahnsinnig faszinierende Erkenntnis. Mit der Zeit haben wir Licht zu unserem Hauptmedium kultiviert.
T: Licht ist für uns vor allem ein verbindendes Element, das Menschen zusammenbringt und soziale Räume schafft. Außerdem ist Licht seit jeher ein positives Symbol für Zuversicht und Hoffnung.
GRAU entwirft und konzipiert, plant und produziert die Leuchten an seinem faszinierenden Unternehmensstandort in Rellingen, vor den Toren Hamburgs. Eine schillernde Hülle aus Aluminium legt sich um das 1998 fertiggestellte Büro- und Produktionsgebäude des Architekturbüros Bothe Richter Teherani. Im Inneren dominieren Holz, Glas und Beton. Wer die Treppen von den offenen Büro- und Studioflächen nach unten steigt, findet sich in der geschäftigen Produktionsebene wieder. Hier werden in gewissenhafter Handarbeit die Leuchten montiert, die eine Etage weiter oben erdacht und entwickelt wurden. Bei GRAU wird aber nicht nur unter einem gemeinsamen Dach gearbeitet, sondern auch in der offenen Küche zusammen gekocht und gegessen.
Wer euren Campus betritt, erahnt den Stellenwert, den Kollaboration in eurer Arbeit einnimmt.
T: Unser Campus erzählt sehr viel über GRAU. Hier arbeiten fast 150 Personen zusammen in einem sehr kreativen und kollaborativen Team. Ganz besonders ist, dass wir den gesamten Entstehungsprozess von unseren Leuchten an diesem Ort sehen können. Wir entwerfen alle Leuchten hier am Campus, wir entwickeln und wir produzieren sie hier. Das ist ein sehr ganzheitlicher Designprozess und alle im Team kennen alle Personen und alle Prozesse. Nicht ins letzte Detail, aber im weitesten Sinne.
M: Das Schöne an Kollaboration: Du weißt zu Beginn nicht genau, was das Ergebnis ist. Aber man teilt die Vision und den gemeinsamen Weg. Diesen Dialog, dieses Ping Pong, haben wir über die Jahre immer weiterentwickelt und jetzt bei GRAU auf ein größeres Team ausgeweitet.
Es gibt fast nichts, was uns glücklicher macht, als wenn dich Licht berührt und einen positiven Einfluss auf deinen Moment hat.
Ihr gebt den Menschen also ein Instrument für die passende Lichtstimmung in die Hand?
M: Genau, wir verstehen unsere Leuchten als Werkzeuge, die Lichterfahrungen für verschiedene Situationen schaffen. Wenn wir ein Produkt designen, dann versuchen wir genau diese Erfahrungen in den Mittelpunkt der Entwicklung zu stellen. Also: Welche Erlebnisse wollen wir vermitteln und wie können wir diese intensivieren? Die verwendete Technologie ist dafür ein Mittel zum Zweck.
T: Ein gutes Beispiel sind mobile Leuchten, die einfach ein super Instrument sind. Weil du in jedem Raum und in jeder Situation unterschiedliche Lichtstimmungen erzeugen kannst.
Gibt es Momente, in denen eine gute Lichterfahrung besonders wertvoll ist?
T: Eine besonders meditative oder intime Lichterfahrung ist der Moment vor und während des Einschlafens, vor allem nach einem intensiven Tag. Deswegen haben wir bei den Leuchten Salt und Fire einen Sunset Sleep Timer entwickelt, mit einem tief orangenen Licht ohne Blaulichtanteil, der das Licht automatisch dimmt und die Leuchte nach 30 Minuten ausschaltet.
M: Ein tolles Produkt baut eine Beziehung zu dir als Nutzer auf. Und die ganze Liebe und die Ideen, die dort hineingeflossen sind, manifestieren sich im Objekt. Das heißt jedes Detail ist Ausdruck dessen, was man den Usern mitgeben möchte.
T: Und für diese Liebe zum Detail ist unser Produktionsprozess ein großes Glück: Weil die gesamte Endmontage hier stattfindet, können wir die hohe Qualität der Details, der Materialien und der Verarbeitung sicherstellen.
Gibt es herausragende Personen, die euch in eurer Arbeit inspiriert oder geprägt haben?
M: Es ist sehr schwer, einzelne Personen herauszustellen. Aber wir hatten schon das Glück, von einigen spannenden Persönlichkeiten zu lernen. Wir haben bei Ai Weiwei und Willem de Rooij studiert und mit Wolfgang Tillmanns gearbeitet.
T: Unser Vater Tobias hat uns bereits in der Kindheit eine Biografie von Steve Jobs geschenkt. Das hat uns geprägt, weil wir uns sehr früh mit der Designphilosophie von Apple beschäftigt haben. Der Ansatz, die sinnliche User Experience gegenüber der reinen Technologie höher zu gewichten, ist auch bei uns stark verankert. Außerdem ist in der Biografie der Schreibtisch von Steve Jobs abgebildet – mit der Leuchte Twist von GRAU. Eine schöne Überraschung!
Welche Learnings möchtet ihr angehenden Designer*innen mit auf den Weg geben?
T: Grenzen herausfordern und Kategorien öffnen, die einem fest erscheinen! Das Schöne an der Gestaltung von Dingen ist, dass man der eigenen Vorstellungskraft vertrauen muss.
M: Wir können nur für uns sprechen, aber ich würde jedem empfehlen: Arbeitet zusammen, öffnet euch. Du kannst in einem Team mit einer geteilten Vision viel mehr Kraft aufbauen als allein.