Form follows Feedback
Bei Medizin geht’s um Menschen. Der dafür notwendigen Technik fehlt trotzdem oft ein "human touch". UX Designer Danny Stoermer nimmt uns bei Olympus mit hinter die Kulissen und erzählt, wie er das ändern möchte.
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Bei Medizin geht’s um Menschen. Der dafür notwendigen Technik fehlt trotzdem oft ein "human touch". UX Designer Danny Stoermer nimmt uns bei Olympus mit hinter die Kulissen und erzählt, wie er das ändern möchte.
Ängste, Unsicherheiten, Unangenehmes: mit Krankenhäusern verbinden wir meist nicht die schönsten Gefühle. Bei der Entwicklung von Medizintechnik sollte diese Verletzlichkeit unbedingt mitbedacht werden, findet Danny Stoermer. Als User Experience Specialist im Medical Design möchte er den Alltag von medizinischem Fachpersonal verbessern – und damit auch den der Patient*innen. Das treibt ihn am allermeisten an, erzählt er bei unserem Besuch.
Wir treffen Danny am Hauptsitz von Olympus Surgical Technologies Europe in Hamburg-Tonndorf. Ein beeindruckender Campus von mehr als 32.000 Quadratmetern, auf dem über 1000 Menschen arbeiten. Olympus ist einer der Weltmarktführer in der Endoskopie – der Technologie, mit der Ärzt*innen ohne große Operation das Innere des Körpersuntersuchen können.
Dass Design in einem gigantischen Medizintech-Konzern viel Raum gegeben wird, ist nicht selbstverständlich. Umso mehr freut sich das Team über die kreative Plattform, die hier vor drei Jahren etabliert wurde. Im Creative Center Europe und dem dazugehörigen User Experience Studio wird täglich experimentiert, entwickelt und ganz viel ausprobiert.
Lieber Danny, was fasziniert dich an deiner Arbeit am meisten?
Die Bedürfnisse unserer Patient*innen und des medizinischen Fachpersonals stehen immer mit Mittelpunkt unserer Arbeit. Besonders cool finde ich, wenn wir unser Studio verlassen und "ins Feld" gehen können: Mit den Menschen vor Ort in Krankenhäusern zu sprechen, sie bei der Arbeit zu beobachten und ihre Bedürfnisse ins Unternehmen zu transportieren. Nur so können wir Produkte entwickeln, die diesen Bedürfnissen gerecht werden.
Welche Charaktereigenschaften sind wichtig, um diesen Job gut zu machen?
Empathie ist extrem wichtig. Sich einzufühlen in die Person oder den Nutzungskontext. Das ist die menschliche Seite. Und dann ist es – gerade in unserer Branche – wichtig, eine gewisse Komplexität händeln zu können.
Woher kam dein Interesse an der Medizintechnik?
Medizin hat mich schon immer fasziniert, gerade weil der Mensch dort immer im Fokus ist. Trotzdem habe ich schnell erkannt, dass der Human Touch dort oft ein bisschen fehlt. Das habe ich als große Möglichkeit gesehen, mit Design zu wirken. Durch den Master Medical Design an der Muthesius Kunsthochschule in Kiel habe ich meinen Zugang zu diesem Kosmos gefunden. Jetzt arbeite ich schon seit 10 Jahren in der Medizintechnik.
Wieso hast du dich für eine Anstellung bei Olympus entschieden, anstatt dich zum Beispiel selbstständig zu machen?
Ich habe mir selbst immer gesagt, dass mein Job wie ein Abenteuer sein soll mit vielen unterschiedlichen Herausforderungen. In einem globalen Unternehmen etwas aufzubauen, andere Standorte und Kulturen kennenzulernen und mit vielen unterschiedlichen Menschen zusammenarbeiten zwingt mich immer wieder meine Komfortzone zu verlassen und lässt mich menschlich wachsen.
In meiner Wahrnehmung hat man Inhouse auch den besten Einfluss auf die Qualität eines Produkts. Der Grundstein für ein gutes Design oder eine gute User Experience entsteht so schon ganz am Anfang einer Produktplanung.
"Wir wollen ein möglichst ganzheitliches, evidenzbasiertes Design entwickeln."
Kannst du uns in diesen Prozess mitnehmen? Wie kommt überhaupt ein neuer Auftrag zu euch?
Grundsätzlich kommt der Impuls immer von außen von verschiedenen Business Units. Das sind quasi unsere Kunden. Sie teilen ihre Bedarfe und Probleme mit uns, sodass wir wissen, worauf wir achten müssen, wenn es zur Beobachtung ins Feld geht.
Das Beobachten ist also der erste Schritt. Was passiert dann?
Grundsätzlich hat unser Designprozess drei Phasen: Understand, Create und Test. Zuerst beobachten wir, was die Bedarfe und Probleme sind – und begleiten beispielsweise Ärzt*innen und das Aufbereitungspersonal in der Endoskopie bei ihren Workflows.
Diese Erkenntnisse dokumentieren wir in Fotos und Berichten. Abstrakte Überlegungen werden in der zweiten Phase dann in konkrete Designs übertragen. In der dritten Phase – Test – geht es dann darum, die Dinge auszuprobieren und zu prüfen. Wir arbeiten viel mit Mockups, damit die Menschen, die die Produkte später bedienen werden, möglichst früh etwas zum Anfassen und intuitiven Ausprobieren haben. So wollen wir ein möglichst ganzeheitliches, evidenzbasiertes Design entwickeln.
"Form follows function" ist ja eine bekannte Phrase in der Designwelt. Bei uns ist es eher "form follows feedback".
Wie lange dauert es, bis dann ein neues Produkt fertig ist?
So ein Entwicklungsprozess dauert tatsächlich mehrere Jahre. Wir bewegen uns da zwischen regulatorischen Anforderungen und richtig hohen Sicherheitsbestimmungen. Auch die Registrierung von Medizinprodukten dauert extrem lang.
Welche Ziele wollt ihr mit eurer Arbeit im Creative Center erreichen?
Das ist zweigeteilt. Operativ gesehen wollen wir natürlich unseren human-centered design approach so stark wie möglich in die Produktentwicklung einfließen lassen. Auf übergeordneter Ebene ist unser Ziel, das Standing von UX Design im Unternehmen weiterzuentwickeln; eine Designreife im Unternehmen herzustellen.
"Design hat über das Ästhetische hinaus auch eine Verantwortung, Dinge zu sortieren, zu strukturieren, zu organisieren."
War es schwierig, den Mehrwert von Design in einem so großen Medizintechnik-Konzern Kolleg*innen aus anderen Bereichen deutlich zu machen?
Als die Designabteilung aufgebaut wurde, haben wir schon manchmal gehört: "Wieso sitzt der Designer jetzt mit am Tisch? Noch jemand, der den Prozess verkompliziert." Aber mit der Zeit haben wir es geschafft, zu vermitteln, dass es sinnvoll ist, wenn wir von Anfang an dabei sind. Dass Design über das Ästhetische hinaus auch eine Verantwortung hat, Dinge zu sortieren, zu strukturieren, zu organisieren.
Was inspiriert dich abseits der Arbeit?
Inspirationen sammele ich auch in der Architektur, der Kunst oder guter Küche. Wenn ich beobachte, wie Leute etwas mit Leidenschaft machen, inspiriert mich das sehr. Aber auch der Austausch mit anderen Designer*innen ist super sinnstiftend. Wir haben hier öfters Kollaborationen mit Hochschulen, und der Design-Nachwuchs hat oft super Ideen für neue Ansätze.
Tauschst du dich hier in der Stadt auch mit anderen Kreativen aus, die nicht bei Olympus arbeiten?
Orte wie das Design Zentrum, an denen Designer*innen physisch zusammenkommen können, sind sehr wertvoll. Insbesondere beim Industriedesign finde ich aber auch, dass wir das Netzwerk noch ein bisschen mehr beleben könnten – um uns auszutauschen und Sichtbarkeit für diese tolle Disziplin zu schaffen.
Videoproduktion: moodmacher+
Fotos: moodmacher+, Olympus
Mehr erfahren: Olympus Surgical Technologies Europe
Connected euch mit Danny: Danny Stoermer – User Experience Specialist