Weitere Initiativen der Hamburg Kreativ Gesellschaft

Traut euch mal was!

Neuendorf Arterior gestaltet Räume nach dem Motto "Form follows fun". Ein mutiges Bekenntnis zu Form und Farbe zieht sich durch Gründer Robert Neuendorfs Portfolio – und nun auch durch den Backstage-Bereich des legendären Molotow-Clubs.

Traut euch mal was! -

Gut gestaltete öffentliche Orte sind mehr als ästhetische Kulissen. Sie erzählen Geschichten, schaffen Begegnungen und spiegeln die Haltung der Menschen wider, die sie beleben. In dieser Reihe haben wir bereits über Orte gesprochen, die Design als Erlebnis verstehen. In dieser Tradition steht auch die Arbeit von Neuendorf Arterior. Für Gründer Robert Neuendorf ist Interior Design ganz klar eine Frage der Haltung, ein klares Bekenntnis zu Form, Farbe und Funktion. Ein aktueller Neuzugang für sein Portfolio: der Backstage-Bereich für die neue Location des Hamburger Indieclubs Molotow.

Früher gab es mehr rote Autos

"Was ich kritisch sehe, ist der Rückgang von Farbe in der ganzen Welt", sagt Robert Neuendorf. Und es geht nicht einmal um den Hype des beigefarbenen Kinderzimmers: Das breite Phänomen der Tendenz zu weniger Farbe in der Öffentlichkeit wird als Monochromatisierung, manchmal sogar als Chromophobie bezeichnet. "In der Mode, auf der Straße, im Interior Design. Das finde ich traurig, gerade in meinem Berufsfeld – eine Umgebung, eine visuelle Ästhetik oder ein Trend werden zunehmend auf eine sehr begrenzte Farbpalette reduziert."

Diese Vernachlässigung führt zwangsläufig zu einer gewissen Uniformität. "Klar kann ich auch Räume machen, die beige sind, und würde damit vermutlich sogar leichter fahren – aber damit würde ich mich nicht wohlfühlen", holt er aus. Der große, bleibende Trend des White Cube lässt sich auf seinen Ursprung im Galeriekontext zurückführen: auch eine Domäne des Designers, der schon immer eng mit der Hamburger Kunstszene und vor allem dem Thema Urban Art verbunden ist. Von 2013 bis 2016 war Robert Kurator in der auf zeitgenössische Kunst ausgerichteten Galerie Affenfaust:

"Im Galeriekontext kann ich diese Herangehensweise verstehen: Die Wände weißen, dazu eine slicke Leuchtschiene mit einzelnen Strahlern. Man schafft Betrachtung für das Kunstwerk, alles ist darauf gerichtet. Wenn du diese Mechanik im Retail-Design anwendest, versuchst du, den ikonischen Charakter aus der Kunst auf das Objekt zu übertragen, das du verkaufst", erklärt Robert. Aber lässt sich diese Herangehensweise auch auf öffentliche Räume übertragen?

Das Gegenteil von Chromophobie: Das zum Technoclub PAL gehörige Café Heloïse
Das Gegenteil von Chromophobie: Das zum Technoclub PAL gehörige Café Heloïse

Residential, Commercial, Hospitality

Fragt man Robert, auf welchen Bereich des Interior Designs er sich spezialisiert, wird klar: Er hat alles schon gemacht. Die Gestaltung von privaten Wohnräumen, öffentlichen wie gewerblichen Räumen und das Gastgewerbe. Was Robert schon lange bewiesen hat: Er weiß, wie man mit viel Platz umgeht.

So entstanden bekannte Hamburger Locations wie der mit schwefelgelben Containern bestückte Außenbereich des ehemaligen Technoclubs PAL, dessen Backstage und das zugehörige Café Heloïse, das Sushi-Restaurant AKAI mit seiner leuchtend roten Felsformation an der Decke.

Robert liebt Brutalismus, Space Age, Memphis Design. Hauptsache, es ist laut und bunt, mutig und ungesehen; klar, aber nie wirklich kalt. "Brutalismus ist nicht unemotional, Brutalismus löst bei mir total viele Emotionen aus: Das Sushi-Restaurant, dessen Interior ich gestaltet habe, enthält brutalistische Elemente, zum Beispiel den Tresen", erklärt er. "Klar, Brutalismus ist bestimmt auch unpraktisch im Gastro-Bereich. Abstände dürfen zum Beispiel nicht zu großzügig sein, jeder Quadratmeter kostet Miete. Aber es ist eben etwas Besonderes."

Jetzt schon Kult

Apropos Quadratmeter, denn jeder einzelne zählt: Was Robert im Backstage-Bereich des Molotow-Indieclubs umgesetzt hat, zitiert Memphis-Vorreiter wie Ettore Sottsass. Der in den 80ern in Mailand entstandene postmoderne Designstil zeichnet sich durch die Verwendung von knalligen Farben, geometrischen Grundformen und dem Mix aus Mustern wie Punkten, Streifen und Wellen aus.

Die Ästhetik ist laut, verspielt, zuweilen ironisch. Sie wurde als Gegenentwurf zur minimalistischen Gestaltung der damaligen Zeit geschaffen. Für Robert ein Power-Tool für maximale Wiedererkennung – und für Leute (oder Marken), die sich was trauen.

Gesamtansicht der Backstage-Lounge mit mehreren Sitzbereichen
Gesamtansicht der Backstage-Lounge mit mehreren Sitzbereichen
Kooperationspartner fritz-kola lässt sich in diversen Details des Raums wiederfinden
Kooperationspartner fritz-kola lässt sich in diversen Details des Raums wiederfinden

"Ein Selfie-Trap mit einzigartigem Wiedererkennungswert"

Im neuen Backstage verschmelzen Ästhetik und Nutzbarkeit nahtlos miteinander. Das Design bricht bewusst mit den Regeln des Funktionalismus. Eine Kooperation mit fritz-kola hat es möglich gemacht, dass sich eine kleine Welt aus kontrastreichen Mustern, Spiegelflächen und haptischen Elementen in Schwarz, Weiß und Rot entfaltet. Ein verdichteter Mikrokosmos hinter der Bühne, zwei Räume voller grafischer Details. Hier einen sich Hospitality und Commercial, ohne den kultigen Community-Gedanken der Paulianer Clublegende zu verlieren. Boden, Wände und Oberflächen bilden clevere Kontraste, sodass der ganze Bereich gezielt als Selfie-Trap mit einzigartigem Wiedererkennungswert funktioniert.

Utopien umsetzbar machen

Fragt man nach dem ultimativen Traumprojekt von Robert Neuendorf, fällt die Antwort überraschend bescheiden aus. Natürlich etwas Sinnstiftendes – und in Hamburg. Da, wo man es sehen kann. Da, wo alle etwas davon haben. Etwas dauerhaft Zugängliches in Hamburg für Hamburg, disruptiv und einladend zugleich. Mit einer erwartbaren Prise Utopie beschreibt Robert Neuendorf seine Idee:

"Ein Raum ist nie fertig, denn er lebt vom Dialog. Was wir erleben und wovon wir ein Teil sind, ist ein permanenter Austausch zwischen Ästhetik und Funktionalität. Und so ist Hamburg auch nie fertig. Wir als Community können immer noch mehr machen! Ich habe mich letztes Jahr im Rahmen der Initiative Verborgene Potenziale Innenstadt beworben: Ich habe mir ein ganzheitliches Konzept überlegt und wollte gern eine skatebare Skulptur in den öffentlichen Hamburger Raum integrieren. Ich habe selbst einen Skateboard-Background und würde sehr gern so etwas Visionäres hier bei uns mitten in die City bauen."

Robert Neuendorf
Robert Neuendorf

Mehr erfahren: Neuendorf Arterior

Fotos: Igor Trepeshchenok

Weiterlesen

Wir verwenden Cookies, um externe Inhalte anzeigen zu können. Sie können unter “Einstellungen” der Erhebung von Nutzerdaten widersprechen. Weitere Informationen erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Wir verwenden Cookies, um externe Inhalte anzeigen zu können. Sie können unter “Einstellungen” der Erhebung von Nutzerdaten widersprechen. Weitere Informationen erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Ihre Einstellungen wurden gespeichert