Interior Design wird zu Experience Design, wenn Studio Besau Marguerre seine Finger im Spiel hat. Gleich drei von Eva Marguerre und Marcel Besau gestaltete Spaces glänzen in diesem Teil unserer Serie über außergewöhnliche Design-Orte in Hamburg – inklusive Insights der Designer*innen selbst.
Start am ersten Ort: der Elbphilharmonie. Richtig gelesen. Vor gut acht Jahren wurde Studio Besau Marguerre mit dem Interior-Konzept des Konzert-Teils betraut. Zur Erklärung: Das Gebäude an sich gliedert sich in drei Bereiche – Privatwohnungen, Hospitality, Konzert. Im Rahmen des Interior-Designs hat Besau Marguerre die Foyermöbel kuratiert und teilweise selbst entworfen, so etwa Stehtische, Bänke und Beistelltische.
Darüber hinaus gibt es eine Auswahl an Möbeln unterschiedlichster Designer*innen. Der eigentliche Kniff dabei ist das Überthema, denn der Fokus liegt auf lebenden Gestalter*innen und fördert junge Talente, die ihrerseits einmal Designklassiker werden könnten – wie zum Beispiel die Kreationen von New Tendency aus Berlin oder KRAUD aus Karlsruhe.
"Das Farbkonzept im Elphi-Foyer ist auf den ersten Blick sehr zurückgenommen", sagt Eva Marguerre, Co-Founderin Studios. Doch sei es auf eine eigene Art genau so farbstark wie das Foyer im MKG oder der SPACE von nextMedia. Es gehe nicht darum zu schreien, sondern genau das richtige Gefühl zu finden. "Die Elbphilharmonie ist in erster Linie ein Ort der Begegnung, gemacht für das Erlebnis Musik und für das Genießen seiner Architektur", erklärt sie weiter. "Die ganze Welt sprach und spricht davon – laut und bunt hätte sich falsch angefühlt bei der Möblierung."
Feingefühl für den Ort an sich
"Wir wollten mit den Möbeln eine Bühne schaffen", sagt Co-Founder Marcel Besau. "Wenn man reinzoomt, merkt man: Die Sofamodule haben unterschiedliche helle Stoffe, feiner und gröber wurde miteinander gemischt, erst auf zweiten Blick ist das erkennbar. In dem Moment, in dem man Farbe bewusst entzieht, kommt die Textur viel mehr hervor. Maserungen, grobes Holz, kalter Marmor, glatte und raue Oberflächen nebeneinander."
"Farbe ist für uns ein Medium."
Die Kooperationen, die das Studio eingeht, wirken "seamless" und mühelos, dabei liegt darin immer harte Arbeit: Hinter jedem Projekt verstecken sich mindestens 20 verschiedene Firmen. Es wird buchstäblich bunt gemischt, denn Social Media und Fachmessen offenbaren neue Labels, die Futter für die riesige Datenbank und die eigene Materialbibliothek im Keller des Studios werden. Im Endeffekt sind Recherche und Kuration für Design-Professionals alles, denn das Sammeln wird Teil der eigenen Arbeit, des Wissens, letztlich der Kalkulation gegenüber dem Kunden.
Das Foyer des Museum für Kunst und Gewerbe, kurz MKG, ist ganz anders, es trägt sehr viel offensichtlicher die Handschrift der beiden. Marcel Besau bringt das Hauptmedium des Studios auf den Punkt: "Farbe ist Emotion. Farben sprechen Menschen an. Farben berühren und stimulieren uns. Kurzum: Farbe hat eine große Wirkung – ob man es will oder nicht."
Die blauen Sofas etwa sind von Objekte Unserer Tage aus Berlin – teilweise Custom, teilweise Standard. Was das konkret heißt: Sitzhöhen wurden angepasst, andere Füße wurden verwendet. Objekte Unserer Tage produziert eher für den Residential-Bereich, daher waren kleinere Modifikationen erforderlich in Sachen Langlebigkeit und Komfort, ohne zu sehr in den Entwurf des ursprünglichen Designs einzugreifen. Tische und Hocker stammen von der Frankfurter Firma STATTMANN – einem weiteren jungen Label, dem Eva und Marcel eine Bühne bieten möchten.
Heutzutage immer zu beachten sind Accessibility und Ergonomie. Da werden im Projektverlauf Fragen zutage gefördert wie "Passt die Martindale-Zahl des Stoffs zur absehbaren Beanspruchung?", "Eignet sich die Sitzhöhe für festliche Kleidung?" oder "Bedenken wir Komfortelemente für konkrete Altersgruppen in einer Foyersituation?". Das Gestalten öffentlicher Räume besteht also nicht nur aus dem kreativen Part, sondern zu einem großen Teil aus Mitdenken und dem Sammeln von Erfahrungen.
"Office- und Messeprojekte sind natürlich auch toll, aber ganz anders. Man übergibt das fertige Projekt an den Kunden und dann wird es niemand von außen mehr so sehen können. Diese quasi etwas tragische Hermetik befördert bei uns den großen Reiz, öffentliche Räume zu gestalten", sagt Eva Marguerre. "Damit beanspruchen wir sie nämlich in gewisser Weise auch: Sie sind dauerzugänglich, das Feedback ist unheimlich divers und affektiv. Es gibt dann keinen abgeschlossenen Kern an Menschen, der sich mit dem Raum auseinandersetzt."
Das große Ganze im Blick haben
Eines der aktuellsten Projekte von Studio Besau Marguerre ist der SPACE, ein für die Digital- und Medienbranche geschaffener Begegnungs- und Arbeitsort von nextMedia.Hamburg in der Speicherstadt. Und natürlich erfordert ein Arbeitsraum andere Möbel als etwa ein Foyer; bestimmte ergonomische Kriterien müssen erfüllt sein, das Budget ist unter Umständen ein anderes, oft steht Funktionalität im Vordergrund.
So sind die Einbautische Custom-Anfertigungen, aber die Sofas von Brunner, einem Büroausstatter. "Stühle gibt es für 50 Euro oder für 1.500 Euro pro Stück. Wenn 40 davon gebraucht werden, wird mit dem Kunden schon mal vorher Probe gesessen. Und die Produkt-Triage erfolgt ohnehin meist nach Sichtbarkeit – also etwa Foyer vs. Backstage. Es werden ganz ökonomisch A-, B- und C-Kategorien erstellt. Manches kleine Label fällt da leider raus", erklärt Marcel Besau.
"Das größte Kompliment: wenn fremde Personen in unser Studio kommen und nach Farbcodes fragen, zum Beispiel nach dem ikonischen MKG-Blau."
Studio Besau Marguerre wurde 2011 in Hamburg gegründet von Marcel Besau und Eva Marguerre, beide Absolvent*innen der renommierten Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe.
Tipp: Kreative, die in der Content- oder Digitalbranche arbeiten, können sich im SPACE tageweise einen kostenfreien Arbeitsplatz buchen. Zu den Open Desks erfahrt ihr hier mehr.
Fotos: Brita Sönnichsen, Nina Struve, Elias Hassos, Maxim Schulz, Iwan Baan